Die Kabylei: Die Kabylen und der Ramadan

Die Kabylei ist eine Region im mittlerweile arabisch-muslimisch geprägten Algerien.

Die meisten Kabylen sind moderate Moslems; ihre Kultur ist säkular, was aber dem algerischen Regime aufgrund der von ihm angestrebten Arabisierung und Islamisierung ein Dorn im Auge ist.

Der Großteil der Kabylen lebt einen sehr toleranten Islam, der ein wenig - wie andere Religionen auch - an ihre Kultur angepasst wird. Aus früheren "vormuslimischen" Zeiten sind z.B. auch noch christliche Gebräuche gegenwärtig; so bekreuzigt man oft kleine Kinder - allerdings ohne zu wissen, was das genau bedeutet bzw. warum man dies macht.

Befragt man Kabylen, ob sie sich während des Fastenmonats Ramadan ans Fasten halten, bekommt man unterschiedliche Auskünfte über die Art und Weise, wie mit dieser Zeit umgegangen wird. Laut Aussage einer kabylischen Freundin halten sich ausschließlich die Kabylinnen ans Fasten, mir ist aber auch von kabylischen Männern bekannt, die fasten. Allerdings wird zu dieser Zeit wohl wirklich selten in der Öffentlichkeit gegessen.

Andere Religionen oder eine Nicht-Ausübung des Islam ist für den Großteil der kabylischen Bevölkerung kein Problem und deshalb auch kein Grund, religiös anders denkende Menschen zu verurteilen oder zu diskriminieren.

Diese Einstellung wird bei einer bemerkenswerten, vielleicht Zeichen setzenden Aktion am 3. August 2013 sehr deutlich.

Die Kabylen zeigen und fordern Toleranz im Fastenmonat Ramadan!

Weniger als eine Stunde dauert die Kundgebung. Um 11 Uhr vormittags finden sich Hunderte von Menschen auf dem seit längerer Zeit verabredeten Platz in Tizi-Ouzou ein. Ihre Forderung: Tolerant und laizistisch sein zu dürfen. In der Hand Wasserflaschen und belegte Brote - und das mitten in Nordafrika während des Fastenmonats Ramadan. Ein historischer Augenblick, jeder isst und trinkt im Rahmen dieser ruhig verlaufenden Aktion - welche auch die Toleranz der Kabylen gegenüber anderen Religionen und Andersdenkenen unterstreichen soll - unter den Augen aller.

Welch geschichtsträchtiger Moment! Diese Aktion, die friedlich und ohne nennenswerte Zwischenfälle verläuft, ist hoffentlich als Zeichen, als gewaltiger Schritt in Richtung Freiheit zu werten. "Dies ist der Fall der Mauer der Angst. Die Kabylen sind endlich frei. Dies ist höchst symbolisch. 'Vive Imazighen!' ('Es leben die Imazighen'*)", skandiert lautstark ein alter Mann aus dem Dorf Ath Waguenoun. Die Fahne der Imazighen schmückt den Platz. Kameras halten das historische Ereignis fest.

Bouaiz Ait Chebib, Präsident von "MAK" (= "Mouvement pour l'Autonomie de la Kabylie"**) steht auf einer Bank und spricht. "Wir sind nicht gegen den Islam oder gegen andere Religionen. Wir sind für die individuelle Freiheit, wir sind für Toleranz und Fortschritt. Die Kabylen sind zivilisiert und lehnen jegliche Form von Inquisition und Radikalismus ab", so Bouaiz Ait Chebib unter dem Applaus der zahlreichen Anwesenden. Hocime Azem - ein Mitglied von "Conseil Fédéral du Congrès Mondial Amazigh"*** und Offizier von "MAK" - erklärt dasselbe. Auch fastende Teilnehmer werden gesichtet.

Mehrere Journalisten stellen ihre Berichterstatung über dieses Ereignis zur Verfügung, ausländische Fernsehsender berichten ebenso.

Abgesehen davon, dass Zivilpolizisten und Beamte der Staatssicherheitsbehörde "DRS" (= "Direction du Renseignement et de la Sécurité") Kameras beschlagnahmen, verläuft die gesamte Aktion ruhig. Die Kabylen haben sich hiermit der Diktatur der algerischen Regierung und dem damit verbundenen Terror der Islamisten friedlich widersetzt. Dies lässt hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Viele Länder dieser Region erleben unruhige Tage; so ist ein solches Ereignis umso bemerkenswerter.

* "Imazighen" (Einzahl: "Amazigh") = "Freie Menschen" - so die Bezeichnung der Berber für ihr Volk
** "MAK" ("Mouvement pour l'Autonomie de la Kabylie") = Bewegung für die Autonomie der Kabylei
*** "Conseil Fédéral du Congrès Mondial Amazigh" = Bundesrat der Welt der Imazighen

Bildmaterial mit freundlicher Unterstützung der kabylischen Internetzeitung "Tamurt.info"